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Ein echter Kenner

Jaques Nottenkemper gibt im TV seine Expertise zu verschiedenen Weinen zum Besten, aber diese Weinprobe nimmt ein herbes Ende.

Diese Geschichte basiert auf Experimenten, die im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie durchgeführt wurden und vom Aufbau – und vor Allem von den Resultaten! – her dem Geschilderten sehr ähnlich waren. Wenn Sie in den Kommentaren „Bullshit!“ schreien wollen, poste ich gerne entsprechende Links – aber hier wäre es zuviel verraten …

Kurzgeschichte, ca. 1500 Wörter, 0,99 €, zu finden hier
 

„Nun, Monsieur Jaques, seien Sie doch so freundlich, uns Ihre Meinung zu diesem Wein mitzuteilen …“

Jaques, der eigentlich Joachim hieß, ließ die Flüssigkeit noch einmal über seine Zunge rollen. Normalerweise empfahl er dieses Spülwasser höchstens dazu, Urinstein aus öffentlicher Sanitärkeramik zu entfernen. Aber er musste befürchten, dass ein signifikanter Teil der Zuschauer mit genau diesem Wein zu Hause vor dem Bildschirm saß. Die durfte er nicht vor den Kopf stoßen. Unter seinesgleichen hätte er in eine Schüssel ausgespuckt. Zwischen den zweihunderttausend Möchtegern‑Gourmets, die Jörg Hultermanns Sendung verfolgten, fand sich aber bestimmt eine ältere Dame, die das widerwärtig fand und den Verfall der Sitten beklagte, oder ein Über-Emphatiker, der mit rhetorisch erhobenem Zeigefinger darauf hinwies, dass mit dem ausgespuckten Wein der Durst von einem Dutzend afrikanischer Kinder ein Tag lang hätte gestillt werden können. Also zwang Jaques Nöttenkemper („das spricht man: -kempääähr, bitte“) seine Peristaltik, den unedlen Tropfen in den Magen zu transportieren. Er betrachtete noch einmal den Rest des Gesöffs in seinem Glas, verschloss kurz die Augen, um das bunte Logo des Supermarktes auf dem Flaschenetikett aus seinem Bewusstsein zu streichen und rang sich ein Urteil ab:

„Jörg, dieser Wein ist gar nicht so schlecht. Ein guter Start für einen Laien, der sich in die wunderbare Welt des Rebensaftes begeben will. Aber leider muss ich sagen, dass an den entscheidenden Stellen dann doch die letzte Finesse fehlt. Er ist ein bisschen der zu kurz gekommene Bruder eines anständigen Weines, ein fehlerhaftes Leichtgewicht.“

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