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Die Schneiders: 1957

Mit dem Cabriolet über die Autobahnen der jungen Bundesrepublik … Da fährt man schon so ein seltenes Auto und wird trotzdem noch verwechselt!

Kurzgeschichte, 3300 Wörter , 0,99 €, zu finden hier

 

„Ehrlich, Burkhard, das finde ich riesig, dass ich endlich mal die legendäre Schneider-Sammlung sehen darf, und ich will auch nicht unhöflich sein, aber ich hatte schon ein bisschen mehr erwartet als – wieviele sind das? Sechzehn, siebzehn Autos?“

„Hatte ich Dir nicht erzählt, dass wir heute nur den Teil besichtigen, von dem die Polizei besser nichts wissen sollte? Wir haben noch zwei Hallen drüben in der Stadt, aber das ist mir jetzt zu spät, um da noch hinzufahren … Meine Bescheidenheit verbietet mir, mit der genauen Zahl zu protzen, aber wir haben im Laufe der Jahre schon eine dreistellige Zahl zusammengetragen …“

„Also ist das hier das Schatzkästchen? Dann entschuldige ich mich vieltausendmal für meine dumme Bemerkung und fühle mich höchst geehrt, dass Du mich hierhin gebracht hast!“

„Ach, komm, Alison, Du weißt, dass ich Dich schätze, als wenn Du eines meiner Enkelkinder wärst!“

„Ich verstehe nur nicht, warum Ihr Autos aufbewahrt, von denen die Polizei nichts wissen soll?“

„Reine Sentimentalität. Sag es bloß nicht weiter, unser Ruf wäre hinüber, wenn unsere Kunden wüssten, dass wir Beweismaterial lagern.“

„Darf ich daraus schließen, dass jeder dieser Wagen eine Geschichte hat? Was ist denn mit dem hier, zum Beispiel? Das ist doch ein 190 SL, oder?“

„Ja, stimmt, Du kennst Dich gut aus, junge Dame!“

„Jeder, der mit Euch ein bisschen Zeit verbringt, wird irgendwann infiziert; ich schätze, das ist unvermeidlich. Und ich muss zugeben, nachdem Bert mir ein paar Tricks am Lenkrad gezeigt hatte, fand ich Autos gleich interessanter … Aber nochmal zu dem Mercedes: Ungewöhnliche Farbe! Ich kenne den nur in Silber – Schwarz mit roten Sitzen habe ich noch nie gesehen … und besonders geschmackssicher ist das auch nicht, wenn Du mich fragst!“

„He, Vorsicht! Ich habe mir diese Farben seinerzeit genau so ausgesucht!“

„Was, echt? Und wieso steht der jetzt hier, bei den Illegalen? Erzähl schon!“

„Also, 1957, da war ich zweiundzwanzig, so alt wie Du jetzt. Nur viel dümmer und arroganter. Bernhard hatte mich mit ins Geschäft geholt, was ich eigentlich nicht wollte. Aber Baldur, der mittlere von uns drei Brüdern, war nicht mehr aus russischer Gefangenschaft zurück gekommen, also musste ich ran, wohl oder übel. Mit meinen ersten Aufträgen hatte ich genug Geld verdient, einen 190 SL zu kaufen, immerhin fast siebzehntausend Mark! Wovon mehr als die Hälfte über einen Kredit finanziert wurde, aber das war mir egal, Hauptsache, ich konnte protzen und Mädchen abschleppen.

Eines Tages, Ende Oktober, kam ein Auftrag rein, den Bernhard mir zuschanzte: Eine Kurierfahrt von München nach Bonn, lediglich eine Aktentasche war zu transportieren. In meiner Überheblichkeit habe ich mein eigenes Auto genommen, was sollte schon passieren?

Gleich & Gleich/Zwillinge

Gleich und Gleich: Der nicht ganz so glücklich verheiratete Herr Seifert trifft einen Verwandten im Geiste.

Zwillinge: Zwillinge planen einen Mord – wie werden sie das bloß mit dem Alibi machen?

Zwei Kurzgeschichten, je ca. 1800 Wörter, 0,99 €, zu finden hier

 

Gleich & Gleich:

„Das dauert wieder!“
Herr Seifert hatte den Herrn, der neben ihm saß, nicht bemerkt, bis der diese Bemerkung fallen ließ.
„Bei Ihrer Frau auch?“
Herr Seifert sah sich verpflichtet, auf die direkte Ansprache zu antworten. Das erschien ihm ein Gebot der Höflichkeit, obwohl er sich in seiner Ruhe gestört fühlte.
„Ja, so sind sie halt …“ Herr Seifert versuchte, möglichst unverbindlich zu bleiben und starrte weiterhin den Vorhang der Umkleidekabine an. Den direkten Augenkontakt vermied er lieber, um seinen Sitznachbarn nicht zu weiteren Gesprächsversuchen zu ermutigen. Aber der ignorierte, dass er ignoriert werden sollte.
„Fürchterlich! Meine hat sich vier Hosen gegriffen, jetzt wird jede einzelne anprobiert und fünf Minuten lang mit extra-kritischem Blick darauf hin untersucht, wie dick ihr Hintern damit wirkt. Ich sitze hier, verschwende zwanzig Minuten meines Lebens mit Warten, bis Madame geruhen, mich um ein Urteil zu bitten; und wenn ich dann vorsichtig zu bedenken gebe, dass das favorisierte Beinkleid unvorteilhaft aussieht, ist sie beleidigt und holt sich noch einen Schwung Hosen. Und ich darf weiter hier sitzen wie ein Idiot.“
Herr Seifert war irritiert: Er selber war eher zurückhaltend und hätte sich niemals einem Fremden gegenüber so offenbart, gar über den Gesäßumfang seiner Gattin debattiert. Obwohl: Die Problematik kannte er natürlich ebenfalls. In sechsundzwanzig Ehejahren war auch er in so manches Fettnäpfchen getreten. Aber irgendwie rauft man sich ja doch zusammen; das Geheimnis einer guten Ehe ist schließlich Kompromissbereitschaft. Herr Seifert wollte dem Fremden nicht zustimmen, weil das ja heißen würde, dass er hinter ihrem Rücken über seine Frau lästerte, aber andererseits fühlte er sich der Solidargemeinschaft der Ehemänner verpflichtet.
„Ich bin sowieso eher für Röcke …“
Der Unbekannte nahm den Ball auf: „Sagen Sie nichts mehr, ich weiß Bescheid! Sie haben das ein einziges Mal Ihrer Frau gegenüber erwähnt, aber die hat ein Mordspalaver gemacht, dass wir nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert leben, Frauen durchaus Hosen tragen können und dass Röcke nur dazu dienen, die Rollenklischees zu festigen und so weiter – das ganze Suffragetten-Programm!“
Herr Seifert war verblüfft: Fast genau so war es tatsächlich gewesen. Es fehlte allerdings noch der spöttische Hinweis darauf, dass er wohl nicht gerade ein Fachmann für Modefragen sei, schließlich suche sie ihm schon seit etlichen Jahren die Kleidung aus – wer weiß, wie er sonst rum laufen würde.
„Ja, da gucken Sie, mein Lieber! Das ist aber keine Telepathie – das ist die universale Erfahrung gutmütiger Ehemänner!“ Der Mann zwinkerte ihm über die Ränder seiner Brille zu.
Frau Seifert trat aus der Kabine.
„Was sagst Du zu der hier?“
Sie hatte eine enge, schwarze Caprihose ausgesucht, die ihre Figur betonte. Herr Seifert musste nicht zur Seite schauen, um zu wissen, dass sein Gesprächspartner mit Mühe ein breites Grinsen unterdrückte.
„Steht Dir ausgezeichnet!“ log er und wusste genau, dass diese Worte sie nicht davon abhalten würden, ein weiteres halbes Dutzend Hosen über ihre Oberschenkel zu zwängen, in der Hoffnung, bei wenigstens einer davon würde der Bund ausreichend weit sein. Frau Seifert verschwand wieder in der Kabine. Der Mann hatte sich in Luft aufgelöst, wahrscheinlich war seine Frau doch schon zu einer Entscheidung gekommen und er war ihr zur Kasse gefolgt. Herr Seifert war ein bisschen empört über die Unhöflichkeit, nicht mit einem Abschiedswort bedacht worden zu sein.

 

Zwillinge:

„Manu und Dani, die sexy Zwillinge“, so hat man uns früher genannt. Und jeder, aber auch wirklich jeder, der uns zum ersten Mal sah, musste seinen Gedanken aussprechen, wie ähnlich wir uns sehen würden.
Logisch, Zwillinge eben, eineiige noch dazu.
Wobei Daniela und ich an dem „sexy“ in „sexy Zwillinge“ wenig schuld hatten. Gut, wir sind nicht hässlich. Wir sehen sogar ganz gut aus, wenn ich das mal sagen darf, ohne direkt als eingebildet zu gelten. Aber wir waren nie bewusst aufreizend. Und tatsächlich ist es romantischen Beziehungen eher abträglich, wenn man einen Zwilling hat.
Weil: Es heißt immer, zwischen Zwillingen bestünde ein nahezu telepathisches Band, wobei der Eine angeblich weiß, was der Andere gerade denkt und fühlt. Das liegt darin begründet, dass Zwillinge gleich alt sind, unter gleichen Umständen aufwachsen, eventuell noch die gleichen Klamotten tragen und so weiter. Wenn man die gleichen Erfahrungen sammelt, zieht man daraus die gleichen Konsequenzen, oder zumindest sehr ähnliche. Daher der Mythos.
Und dieser Mythos nervt. Die Leute gehen davon aus, dass alles, was sie meiner Schwester erzählen, mir auch sofort bekannt ist. Sie gehen davon aus, dass alle meine Meinungen mit denen von Daniela übereinstimmen müssen.
Eben deshalb sind romantische Beziehungen sehr schwierig: Jeder von Danis Freunden hatte das Gefühl, dass ich irgendwie mit im Boot wäre, dass ich größeres Vertrauen genieße, irgendwie näher an ihrem Herzen wäre, oder was auch immer man für eine schmalzige Umschreibung wählen will. Umgekehrt natürlich genauso. Klar, ich war immer ihre Anlaufstelle, wenn es mal wieder nicht geklappt hatte, aber ich habe mich nie eingemischt. Wir hatten sogar die Vereinbarung, uns nichts zu erzählen über die jeweiligen Bekanntschaften. Aber das hat nichts geholfen: Der andere Zwilling bleibt das Objekt von Eifersüchteleien.
Deshalb, als wir ungefähr Zwanzig waren, haben wir uns entschlossen, dass wir getrennte Wege gehen. Ich hatte gerade ein Angebot für einen Job im Ruhrgebiet, Dani ist nach Offenbach gezogen, wir haben beide neue Freundeskreise aufgebaut, die wir sorgfältig voneinander getrennt hielten. Das klappte großartig. Klar, wir hatten noch Kontakt, vor allem per Email. Und natürlich haben wir uns bei den Festen der Verwandtschaft getroffen, Geburtstage, Weihnachten, das Übliche.
Vor drei Jahren hat sie dann einen Mann kennen gelernt, mit dem es ernst wurde: Justin war ein gut aussehender Bursche, eigentlich ganz nett, aber er hatte etwas an sich, was mir schon auf den Fotos, die sie mir schickte, nicht gefiel. Aber ich konnte damals nicht den Finger drauf legen. Als Dani ihn dann – Weihnachten, vor zwei Jahren – zu meinen Eltern mitbrachte, wusste ich, dass sie schon die Hochzeitsglocken läuten hörte. Er aber bestätigte mein schlechtes Gefühl: Er nahm mich im Laufe des Abends beiseite und fragte mich: „Ey, Manu, was hältst Du von einem flotten Dreier? Dani, Du und ich?“. Ich war natürlich empört; er tat so, als ob das nur ein Scherz gewesen wäre und entschuldigte sich damit, dass der Alkohol aus ihm sprechen würde.

 

 

Wahre Worte weiser Männer

Von Georg Christoph Lichtenberg stammt folgender schöner Spruch:

Was den Schriftsteller beliebt macht, ist nicht so wohl neue Empfindungen zu beschreiben, als vielmehr den gemeinsten einen Anstrich von Wichtigkeit zu geben und dem Leser dadurch glauben zu machen, er habe etwas so Ungewöhnliches gedacht, oder noch besser, gemeine Dinge so schön zu sagen, dass der Leser, den Gedanken nach dem Ausdruck schätzend, zu glauben anfängt er habe würklich einen großen Einfall gehabt, indem er etwas ehmals gedacht was sich schön sagen läßt.

Das hat er zwischen 1776 und 1779 in seinen Sudelbüchern, Heft F, notiert. Immer noch gültig.

 

Legolliver

Bei der Interaktion mit Menschen hapert es ein wenig, aber Olliver hat zweihunderttausend kleine Plastikfreunde, die ihm mit dem Mädchen vom Menubringdienst helfen.

Kurzgeschichte, ca. 3300 Wörter, 0,99 €, zu finden hier

 

Der Weg von der Bushaltestelle war nicht weit, aber es war Olliver trotzdem unangenehm, die Strecke zu laufen: Zum Einen sind dreihundert Meter in der Sommerhitze ziemlich anstrengend für jemanden, der bei einer Größe von hundertsechsundsiebzig Zentimetern hundertachtzehn untrainierte Kilogramm auf die Waage bringt, zum Anderen wusste er genau, dass seine Nachbarn hinter ihren selbstgehäkelten Gardinen auf jeden Passanten schneller reagierten als die Bewegungsmelder, die ihre Haustürleuchten einschalteten. In einer Sackgasse, die nur von Rentnern bevölkert wurde, geriet jedes Auto zur Sensation, und wenn der verrückte Sohn von der merkwürdigen Witwe am Ende der Straße wieder heimkehrte („Ich habe gehört, er war in ärztlicher Behandlung, wenn Sie wissen, was ich meine …“ – „Weil er so dick ist?“ – „Nein, er ist wohl nicht ganz richtig im Kopf!“ – „Ah, das habe ich schon immer geahnt!“), dann musste das eine Flut von Tratsch auslösen.
Obwohl ihm der Schweiß von der Stirn in die Augen floss und ihm die Sicht trübte, und obwohl die Reisetaschen seine Arme immer weiter in Richtung Erdmittelpunkt dehnten, stapfte Olliver ohne Halt weiter. Als er endlich die vier Waschbetonstufen zur Haustür erklommen hatte, grinste er in grimmiger Genugtuung: Er hatte den verdammten Spießern nicht gegönnt, ihn bei einer Pause zu beobachten („Guck mal, das fette Schwein ist schon nach hundert Metern außer Atem!“ – „So wie der schwitzt, ist es ein Wunder, dass sich keine Pfütze auf dem Bürgersteig bildet!“).
Olliver schloss die kupferbeschlagene Tür auf, zog seine Taschen in den Flur und atmete auf: Endlich im Kühlen, endlich raus aus dem feindlichen Gebiet. Er rief nach seiner Mutter, bekam keine Antwort. Aus dem Wohnzimmer drang aber leises Kichern, also ging er hinein.
Na, das war ja eine Überraschung: Die Minifigs hatten den Raum mit Luftschlangen geschmückt, ein Transparent aufgehängt, auf dem „Willkommen daheim!“ stand und warfen Konfetti in die Luft. Einer der Dr. Kilroys (im grauen Anzug, Set 7415) war von den anderen Minifigs dazu bestimmt worden, ein paar Worte zu sprechen – sein seriöser Bart prädestinierte ihn für solche Gelegenheiten.
„Olliver,“ sprach der Dr. Kilroy, „wir alle haben Dich sehr vermisst und freuen uns, dass Du wieder bei uns bist.“
Das zustimmende Gemurmel aus etwa zweihunderttausend ABS- und Makrolonkehlen bewegte Olliver sehr.

Passend dazu, zufällig gerade im Netz drüber gestolpert: Eine Zeichnung aus dem Lego-Patent

Kopierschutz – ham wa nich!

Die ersten vier Kurzgeschichten, die wir hochgeladen haben, sind mit dem Amazon-eigenen Kopierschutz versehen; also „Hauteng“, Die Tod“, „Ein echter Kenner“ und „Kein Heldentod“. Danach haben wir diese Funktion nicht mehr aktiviert und werden das auch nicht mehr tun. Sie erkennen das an folgender Zeile bei den Produktinformationen: „Gleichzeitige Verwendung von Geräten: Keine Einschränkung“

Unser Kopierschutz heißt Vertrauen™ 1.0, der hat sich schon seit Tausenden von Jahren bewährt. Sie erwerben von uns ein Produkt im Vertrauen darauf, dass es Sie unterhält und Ihnen nicht etwa Scherereien bereitet. Wir vertrauen darauf, dass Sie den Wert (hoffentlich) guter Unterhaltung zu schätzen wissen.

Wir sind davon überzeugt, dass Anstand immer noch überwiegt und die allermeisten Leser unsere Dateien so behandeln wie ein echtes Buch. Und wenn Sie mal einem Freund oder einer Freundin Kopien von einer oder zwei unserer Geschichten machen, um ihn oder sie anzufixen, dann soll uns das auch recht sein. Wir verlassen uns auf Ihr Augenmaß.

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Soranya und die Druoiden

Soranya wird von den Druoiden zur Rettung Ponselands rekrutiert, eine schwierige Aufgabe, aber der Sturz der Üblen Königin Aphylaksia ist ein hehres Ziel. Handeln die Druoiden wirklich völlig selbstlos, als sie Soranya aufrüsten?

Fantasy-Kurzgeschichte, ca. 2000 Wörter, 0,99€, zu finden hier

 

Die alten Weiber sagen, tief im Walde von Madremille fische das knochenfarbene Licht der Zwillingsmonde mit dem Schattennetz der wogenden Zweige nach den Seelen verirrter Wanderer, und jedes Zittern der Luft würde ein lautes Heulen aus den Kehlen der auf ewig verdammten Beute reißen.
Die Kinder der umliegenden Dörfer sollten mit diesem Märchen vom Walde fern gehalten werden, damit sie den Greiflianen der Dutzendmägen-Pflanzen nicht zum Opfer fielen. Aber obwohl Soranya kein Kind mehr war, musste sie sich eingestehen, dass die ständigen Bewegungen am Rande ihres Gesichtssinnes mehr und mehr an ihrem Mut zehrten und sie langsam in das ängstliche, kleine Mädchen zurück verwandelten, das sie vergessen geglaubt hatte. Wütend hieb sie mit ihren Ewigen Fackeln flüchtige Kratzer aus Licht in das undurchdringliche Fleisch der Dunkelheit, um die stetigen Angriffe der vierarmigen Grozums abzuwehren, die ihre Rüssel zu gerne in Soranyas Haut bohren wollten. Diese Nacht musste sie tapfer sein, sie spürte deutlich, wusste es geradezu, dass ihr Leben in der nächsten Stunde eine dramatische Wende nehmen würde. Aber in welche Richtung?
Was konnten die Druoiden nur wollen – ausgerechnet von ihr? Die Einladung, um Mitternacht zur Lichtung der liebenden Toten zu kommen, war mehr Bitte als Befehl gewesen, und wenn die Druoiden, diese mächtigen, mechanischen Mentoren der Menschheit, Soranyas Hilfe erbaten, dann standen die Dinge wohl schlimmer, als sie bisher angenommen hatte. Sie war nur eine einfache Magd; sie hatte zwar davon geträumt, aber nicht ernsthaft erwartet, dass ihr Name je in einem Vers der Geschichtssänger Ponselands zu hören sein würde.
Durch das Gewirr der Flora zwängte sich ein jadefarbenes Schimmern: In wenigen Sekunden würden Soranyas Fragen beantwortet werden.
Sie atmete tief ein, trat auf die Lichtung und fand sich den drei Druoiden ihrer Oktasphäre gegenüber: Iddrufh, Blasigjk und Masurkas. Sie hatte die Druoiden bisher nur aus einiger Entfernung gesehen und war sofort von der Intensität der Borgon-Aura gebannt, die die Köpfe der imponierend großen Messing-Menschen in gelassener Würde umwogte und dabei die tanzenden Flammen von Soranyas Ewigen Fackeln zu billigem Zwecklicht degradierte.
Iddrufh ging auf Soranya zu, das Borgon wechselte seine Farbe von dem neutralen Jadeton zu einem warmen Willkommensrot, die Wogen, die die Oberfläche in Bewegung gehalten hatten, glätteten sich bis zum Stillstand; Iddrufhs Messinggesicht wurde nun durch das Borgon zu einem Schädel ergänzt, der aber von menschenähnlichen Proportionen weit entfernt war.
„Soranya, welch eine Freude, Dich zu sehen; ein heller Stern in der finsteren Nacht menschlicher Gleichgültigkeit!“
Iddrufhs Stimme glitt in Soranyas Ohren wie die schmeichelnde Melodie eines Bänkelsängers, der den Frühling zu seiner Geliebten erklärte. Der Klang durchdrang ihre Haut und ihre Knochen, bis er auf ihr Herz traf und es in Schwingung versetzte, damit es ein wenig schneller schlage.
„Ich bin Eures Lobes nicht würdig, ehrenwerter Herr!“
„Doch, Soranya, doch, das bist Du durchaus!“
Iddrufh legte seine Hand auf ihre Schulter. Ein leichtes Kribbeln fuhr durch ihren Arm und ließ Soranyas Finger zucken, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte oder wollte. Iddrufhs Aura verdunkelte sich zu der Farbe edlen Weins.
„Die Zeiten sind übel, mein Kind, und die Zeichen stehen schlecht! Unsere Helden sind alle tot, besiegt durch List, Verrat und Ehrlosigkeit … Auf dem Grabe der Hoffnung wachsen die schwarzen Blumen der Verzweiflung – jetzt sind es die kleinen Leute, die großen Mut aufbringen müssen! Soranya, wir sind sicher, dass Du Deinen Teil dazu beitragen willst, Ponseland wieder ins Licht zu führen!“
„Ich will gerne mein Bestes geben, Herr Iddrufh, aber sagt mir: Wie soll ein schwaches Weib gegen die Armee der Zauberatoren bestehen?“

Bein

Herbert Spindler empfindet sein rechtes Bein nicht als sein eigenes. Von den Ärzten im Stich gelassen, nimmt er die Amputation in Heimwerkermanier vor. Aber die Dinge entwickeln ein unerwartetes Eigenleben…

Eine makabre Kurzgeschichte zum Thema Body-Horror, ca. 3700 Wörter, 0,99 €, zu finden hier

 

Bevor Frau Doktor Bergmann den Mund aufmachte, hatte ihr mitleidig-skeptischer Blick das Fazit schon vorweg genommen: Sie würde Herbert Spindler das Bein nicht amputieren.
„Sehen Sie, Herr Spindler, ich bin Chirurgin und kann in Ihrem Fall keine verbindliche Diagnose stellen, aber ich vermute, bei Ihnen treffen zwei Krankheiten ganz unglücklich zusammen: Zum Einen die sogenannte BIID, Body Integritiy Identity Disorder, wie es in der Sprache der Medizin heißt – das ist das Gefühl, dass ein Körperteil nicht vorhanden sein sollte. Zum Anderen das Restless Leg Syndrome, der Drang, das Bein ständig zu bewegen.“
Herbert Spindler verspürte den Drang, Frau Doktor Bergmann mit dem Restless Fist Syndrome bekannt zu machen. Er hatte diese Diagnose so oder ähnlich schon von vierzehn anderen Ärzten gehört und war es leid, als psychisch kranker Halbdepp an Irrenärzte verwiesen zu werden. Das löste sein Problem nicht.
„Andere BIID-Kranke wollen sich von einem Körperteil befreien, weil er nicht zu dem geistigen Bild passt, das sie von Ihrem Körper haben. Aber bei Ihnen sorgt das Restless Leg dafür, dass sie Ihr Bein als fremd empfinden.“
„Als Bein eines Fremden, um es präzise zu formulieren. Wenn ich tatsächlich spinne,“ – Frau Doktor Bergmann machte beschwichtigende Gesten, um Vertrauen in Herbert Spindlers geistige Gesundheit vorzutäuschen – „… wie erklären Sie sich dann die Unterschiede im Aussehen meiner Beine? Das linke ist behaart, das rechte nur sehr wenig. Links: Muskeln, Sehnen. Rechts: Weiches Fleisch. Manche Frau wäre froh, so ein schönes Bein zu haben. Oder besser: Zwei davon.“
Sarkasmus, die letzte Zuflucht des Gescheiterten, dachte Herbert Spindler, denn er wusste, dass Frau Doktor Bergmann alle Argumente weg-erklären würde, die er auf den Tisch brachte.
„Was es mit der Behaarung auf sich hat, kann ich nicht sagen…“
„Ihre Kunstpause sagt es um so deutlicher: Sie vermuten, dass ich das selber mit Rasierer oder Wachs mache, und dass ich es vielleicht nicht einmal weiß!‘
„… aber die unterschiedliche Muskelausbildung resultiert wahrscheinlich aus der unterschiedlichen Beanspruchung: Sie haben kein Vertrauen in Ihr rechtes Bein, deshalb belasten Sie es auch nicht. Das linke dafür um so mehr.“
Herbert Spindler fragte sich, ob er noch weiter diskutieren sollte, aber Frau Doktor Bergmanns Ignoranz würde ihn nur wütend machen. Die Wut würde ihm kurzfristig Auftrieb geben, er würde sich im Recht fühlen, unverstanden, trotzig gegen eine feindliche Welt rebellieren. Aber was nützte das schon? Frau Doktor Bergmanns Haltung war aus Ihrer Sicht verständlich, vielleicht würde er in Ihrer Position genauso handeln.
Er hatte in den vergangenen Wochen nicht alle Ärzte in Deutschland befragt, aber mit Frau Doktor Bergmann waren es jetzt fünfzehn, die seinen Wunsch nach einer Amputation kategorisch abgelehnt hatten. Eine ausreichend große Stichprobe für die Annahme, dass er hierzulande niemanden Qualifizierten finden würde, der ihn auf medizinisch unbedenkliche Weise von dem Bein befreien würde. Westeuropa fiel wahrscheinlich komplett flach. In Schottland hatte ein Arzt vor etlichen Jahren zwei armen Schweinen geholfen, die an BIID litten und ihnen irgendwelche Gliedmaßen amputiert. Aber nachdem das bekannt worden war, schwappte eine Welle der Entrüstung durch die Welt der Weißkittel und man ließ die Leute lieber komplett. Unglücklich, aber der Norm nach vollständig.
Osteuropa? Dort würde er vielleicht jemanden finden. Aber ob der medizinische Standard seinen Ansprüchen genügen würde? Das Bild eines glasbausteinbebrillten Pferdemetzgers mit Benzin-Kettensäge blitzte durch Herbert Spindlers Kopf, er sah sich in einer schimmeligen ehemaligen Folterkammer des KGB auf einen angeblich aus Edelstahl gefertigtem, tatsächlich aber arg rostigen Tisch geschnallt; eine vollbusige Brünette in knallenger Krankenschwesternuniform – lange Beine in kurzem Rock, Schmollmund mit blutrotem Lippenstift auf den Mundschutz geschminkt – entleert eine Halbliterspritze grau-grün-violetten Blubberschleim in seinen Arm, streicht ihm über den Kopf und lallt mit Wodkafahne in sein Gesicht: ‚Wenn Du wieder aufwachst, bist Du das böse Bein los, mein armer Kleiner! Oder besser: Falls Du wieder aufwachst!‘ Krankenschlampe und Pferdemetzger lachen hysterisch, die Säge heult auf und Frau Doktor Bergmann sagt:
„Geht es Ihnen nicht gut, Herr Spindler?“
„Doch, ja. Es geht mir gut. Schade, dass Sie mir nicht helfen konnten. Ich gehe dann jetzt mal. Vielen Dank für Ihre Mühe.“

*

Zweiundzwanzig Tage später war ich bestens vorbereitet, das Bein selber in die Hand zu nehmen.

Der Goldene Gorilla

Der erste Beitrag von Vanessa:

Major Grubert verfolgte jahrelang die Spur des legendären Affen. Als er ihn endlich fand, reagierte der Goldene Gorilla nicht ganz so, wie Grubert sich das vorgestellt hatte … Auf der Flucht vor dem Primaten muß der Major die haarsträubenden Hindernisse überwinden, durch die auf dem Hinweg seine Gefährten auf allerlei abscheuliche Arten umgekommen sind.

Im Stil der Abenteuer-Romane des ausgehenden 19. Jahrhunderts gehalten.

Kurzgeschichte, ca. 6900 Wörter, 0,99 €, zu finden hier

 

An den Haken am obersten Punkt dieser vollkommen geschlossenen, hemisphärischen Kuppel war ein starkes Seil geknotet, das die Jahrhunderte offenbar unbeschadet überstanden hatte. Unsere Blicke folgten dem Seil bis zur Decke, wo es über eine Rolle in die Richtung der Säulen umgelenkt wurde. Von einem der Bögen zwischen den Säulen hing eine weitere Rolle, die das Seil wieder nach unten schickte. An diesem Ende des Seiles, kurz unter dem Säulenbogen, hing eine Kugel aus Granit, mit einem Durchmesser von etwa anderthalb Yard, ganz offensichtlich das Gegengewicht für die Kuppel, unter der der Goldene Gorilla gefangen sein musste. Manteca wies zu Recht auf die höchst sonderbare Tatsache, dass die bisherige Geschichtsschreibung noch nicht von den Futtjucken zu berichten wusste, obwohl sie doch immerhin schon den Flaschenzug kannten und daher größere architektonische Spuren hätten hinterlassen sollen.

Von der Kugel hing unten noch ein weiteres Seil hinab, daran klammerten wir uns und zogen, als ob wir zur Sonntagsmesse läuten wollten.

Die Halbkugel hob sich und tatsächlich: der Goldene Gorilla! Endlich! Ich wollte auf ihn zu stürzen, ihn berühren, aber ich musste der Versuchung widerstehen, durfte noch nicht loslassen, alleine schon um Mantecas willen, der das Gewicht alleine nicht hätte halten können und an die Decka katapultiert worden wäre. Nachdem wir es geschafft hatten, die Kugel bis auf wenige Inches über den Boden hinunter zu ziehen, befestigten wir das lose Ende des Seils an einem Haken unserer Bergsteigerausrüstung, den wir vorher in den Felsengrund getrieben hatten. Die Kuppel schwebte jetzt über dem Goldenen Gorilla, als ob eine unsichtbare Gigantin den Deckel einer Bonbonniere über der kostbarsten aller Pralinen hielt. Der Affe war enorm groß, obwohl er zusammengesackt vor sich hin dämmerte. Ich näherte mich vor Erregung zitternd vorsichtig diesem einzigartigen Zeugen der Vergangenheit und sah den riesigen Brustkorb in langsamer Bewegung an- und abschwellen.

„Er atmet, Umberto! Er lebt!“

„Das wird er Ihnen bald voraus haben, Major!“

Gute Güte, also doch! Der Verräter! Mein in hunderten Gefechten geschärfter Instinkt ließ mich hinter die nächstbeste Säule hechten, schon fiel ein Schuss und eine Kugel schwirrte hinter meinem Rücken vorbei. Manteca jagte ein weiteres Geschoss in den Pfeiler. Ich nutzte die Zehntelsekunde, die er brauchte, um erneut den Hahn seines Revolvers zu spannen, um einen schnellen Blick um die Säule zu werfen. Der Bastard hatte sich hinter der Granitkugel in Deckung gebracht.

„Nun, Major, ich schätze, Sie werden zu einem weiteren tragischen Opfer auf dieser vom Unglück verfolgten Expedition. Ihr am Boden zerstörter Diener wird alleine nach England zurückkehren müssen. Immerhin hat die treue Seele den Goldenen Gorilla dabei und man wird feststellen, dass Mantecas Abhandlung über den Affen durchaus das Niveau von Gruberts Berichten halten kann.“

Wieder schlug ein Projektil in die Säule, aber diesmal hatte er sein Lee-Metford-Gewehr abgefeuert.

„Für die Meisten wirst Du trotzdem nur ein stinkender, kleiner Emporkömmling sein, Umberto, und seit etwa einer halben Minute denke ich: zu Recht!“

Ich prüfte die Trommel meines Webley, in allen Kammern steckten Patronen.

„Mag sein, aber ich werde ein vermögender, stinkender, kleiner Emporkömmling sein. Da sie mich als Verwalter von Glastonburyshire eingesetzt haben, wird es nicht allzu schwer sein, den Rest Ihres Besitzes zu versilbern. Aber das ist nicht so wichtig. Viel schöner finde ich den Gedanken, dass Sie unwillentlich zum Steigbügelhalter meines Ruhmes werden. Für all die Jahre, in denen es umgekehrt war, wird mich das reichlich entschädigen.“

Manteca verlieh seinen Worten mit einem erneuten Schuss einigen Nachdruck. Er bemühte sich, in seiner Stimme die gelassene Überlegenheit des sicheren Siegers mitschwingen zu lassen, aber Bitterkeit und Hass verzerrten den Klang zu einem dissonanten Geräusch, das ich bei anderer Gelegenheit für Möwenkreischen gehalten hätte.

Wohnungsbesichtigung

Ein Makler zeigt potentiellen Mietern eine Wohnung, in der die Besitztümer des verstorbenen Vormieters offen herum liegen. Eigentlich will man ja nichts davon wissen…

Kurzgeschichte, ca. 2000 Wörter, 0,99 €, zu finden hier

 

Habe ich Dir eigentlich erzählt, dass meine Schwiegermutter schon wieder umziehen will? Bei ihr im Haus wohnen nur Idioten, den ganzen Tag Geschrei im Hausflur, durch die Lüftung im Klo zieht der Curry-Gestank von den Indern zu ihr rauf, über ihr rennen sie wohl mit Holzschuhen auf Parkett rum und so weiter und so fort.

Jedenfalls: Letztens haben wir deshalb eine Wohnung besichtigt. Die hatte ein Makler in der Zeitung inseriert – Schwiegermutter angerufen und einen Termin ausgemacht. Ich musste mitgehen, weil ich der Handwerker in der Familie bin, bei Renovierungsbedarf muss ich ran. Du kannst Dir vorstellen, wie begeistert ich war: Schon mal gucken, wie ich mir bald abends die Zeit vertreiben würde. Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte.

Als wir dann hin gegangen sind, hat uns der Makler unten erwartet und erst mal gesagt, dass der Vormieter verstorben und die Wohnung nicht ausgeräumt ist. Und er würde demnächst einen Entrümpelungsonkel kommen lassen, und wenn wir was sehen, was uns gefällt, könnten wir das vielleicht mitnehmen. Gut, haben wir gesagt, werfen wir mal einen Blick rein, wenigstens schon mal die Aufteilung anschauen, grobe Übersicht verschaffen; wenn das alles gut aussieht, können wir ja noch mal kommen, sobald die Wohnung leer ist.

Wir also rauf, erste Etage, der Makler macht auf: Riesenflur, bestimmt drei mal drei Meter. Da stand überall ein bisschen Kram rum, staubig war es, Laminatboden, aber keine Fußleisten, so dass man die Ritzen gesehen hat. Ich denke mir, das geht ja noch.

Erst mal rechts in die Küche. Die Küchenzeile war schon abgebaut, aber meinst Du, da hat mal einer sauber gemacht? Du weißt ja, im Laufe der Jahre sammelt sich da Einiges an Dreck: der Staub, dann Fettnebel vom Braten; die Tapete war voll mit klebrigen, schwarzen Flusen. Ich meine, wenn man die Wohnung weiter vermieten will, kann man ja wenigstens mal mit einem feuchten Lappen durchgehen, oder?

 

Kein Heldentod

Hauptfeldwebel Kroeger überbringt den Großeltern des Stabsgefreiten Freise traurige Nachrichten. Ein schlechter Scherz, aber die wichtigere Frage bleibt offen.

Kurzgeschichte, ca. 1800 Wörter, 0,99 €, zu finden hier

 

„Guten Tag, ich bin Hauptfeldwebel Kroeger, sind sie Frau Freise?“

„Ja …“

„Die Großmutter des Stabsgefreiten Dirk Freise?“

„Ja – ist was mit meinem Enkel?“

„Darf ich hereinkommen?“

„Aber ja, bitte!“

Gisela Freise trat beiseite, um den Soldaten mit einer unsicheren Geste in den Flur zu lotsen. Wie immer, wenn ein Gast eintrat, entstand ein etwas peinlicher Moment, als der Besucher sich in dem engen Flur an der Dame des Hauses vorbei drängte. Weil Frau Freise, den guten Sitten entsprechend, nach dem Schließen der Türe wieder die Führung auf dem Weg ins Wohnzimmer übernehmen musste, stellte Hauptfeldwebel Kroeger sich mit dem Rücken an die unglücklich platzierte, viel zu breite Garderobe. Er stand halb in einer dichten Reihe Mäntel und Jacken, von denen zwei Drittel nur einmal im Jahr getragen wurden. Der Muff hatte sich mit dem Schweißhauch der drei oder vier täglich benutzten Kleidungsstücke vermischt. Frau Freise vermied sorgfältig, Kroeger anzusehen; sie ahnte, dass er keine guten Nachrichten brachte und wollte die schlechten nicht schon in seinen Augen ablesen.

Gisela Freise schob sich an ihrem Gast vorbei und bemerkte die intensive Ausdünstung eines Kettenrauchers, der ein paar Tage nicht geduscht hatte – ein seltsamer Kontrast zur gepflegten Erscheinung des Hauptfeldwebels. Er war etwa fünfunddreißig, überragte Gisela um zwei Köpfe und brachte deutlich über zwei Zentner auf die Waage, von denen nur wenige Kilogramm in Richtung der Gürtelschnalle gerutscht waren. Gelegentlich ertappte sie sie sich bei dem Gedanken, dass die Kameraden und Vorgesetzten ihres Enkels, die er ihr auf Fotos gezeigt hatte, eigentlich ganz menschlich aussahen, gar nicht wie Soldaten – aber Kroeger erweckte den Eindruck, er wäre schon in der Uniform geboren worden; falls in Hollywood ein Mangel an stiernackigen, kurzhaarigen, grimmig fluchenden Uniformträgern ausbräche, man würde ihn sicher anrufen; zum perfekten Klischee fehlte nur ein erloschener Zigarrenstummel in Kroegers Mundwinkel.